Um Krisen und Katastrophen adäquat begegnen zu können, ist es erforderlich, Lage, Dynamik und Verlauf möglichst korrekt zu beurteilen und angebrachte Maßnahmen einzuleiten. Die Krisenampel kann mit einigen Beispielen helfen, sich einen Überblick zu verschaffen.
Um Krisen- und Katastrophenlagen angemessen begegnen zu können, ist es ratsam, sich im Vorfeld ein Reaktionskonzept zu erarbeiten und dieses zu verinnerlichen. Ich habe hierfür die KRISENAMPEL benutzt. Eine sich anbahnende Krise möglichst korrekt einzuschätzen und die möglichen Auswirkungen realitätsnah zu extrapolieren bedarf einiger Übung, ein Studium diverser Lagen aus der Vergangenheit ist hier durchaus hilfreich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die möglichst realistische Extrapolierung der Dynamik einer Lage, also die Beurteilung des tatsächlichen Entwicklungspotenzials einer Krisensituation. Der Grad unserer eigenen Vorbereitung (Preparedness), unsere individuelle Handlungsfähigkeit (Capability) und unsere Entschlussstärke (Intentness) bestimmen letztlich, ob und wie wir eine schwere Krise (Phase Rot) beziehungsweise Katastrophe überleben. Ich habe dieses PCI-Konzept in meinem Buch HABEN IST BESSER ALS BRAUCHEN detailliert erläutert.
Die drei wichtigsten Regeln im Umgang mit Krisen und Katastrophen lauten:
- 1) Ruhe bewahren.
- 2) Ruhe bewahren.
- 3) Ruhe bewahren.
Ich schildere nun einige mögliche Ereignisketten aus meiner persönlichen Sicht. Diese beinhaltet natürlich lediglich die Umstände meiner eigenen Notfallvorsorge, erhebt darum keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit. Die Schilderung soll nur als Denkanstoß dienen, sich selbst solche Scripte zu schaffen und diese zu beüben.
BLACKOUT
Stromausfall, Wahrscheinlichkeit: hoch
- T + 5 min.: Abwarten, ob Redundanzsysteme greifen, Sicherungskasten kontrollieren (z.B. FI-Schalter)
- T + 15 min.: Trennen unwichtiger Geräte vom Stromnetz, um Spannungsspitzen bei Wiedereinsetzen der Energieversorgung zu vermeiden. Versuch, Informationen über Mobilfunk/Tablet zu erhalten. Betriebsbereitschaft der Notstromaggregate herstellen. PVA checken (tagsüber).
- T + 60 min.: Inbetriebnahme des Notstromaggregates mit Benzinantrieb (Kurzzeitversorgung), Sicherstellung der Brennstoffversorgung, Anschließen von Verbrauchern (Kühltruhe, Warmwasser/Heizung). Wasserversorgung aus Vorräten sicherstellen.
- T + 12 std.: Inbetriebnahme des Notstromaggregates mit Dieselantrieb (Langzeitversorgung). Ersetzen des Benzinaggregates. Abschalten der Heizung, Warmwasserbereitung über Feuerung.
- T + 72 std.: Umstellung auf stromlosen Haushalt. Notfallprotokolle Versorgung und Standortsicherung initiieren.
Es gibt lokale, regionale und überregionale Blackouts, die durchaus sogar kontinentale Ausmaße annehmen können. Je raumgreifender eine Störung ist, desto höher rutscht sie in der Krisenampel. Lokale Ereignisse werden meist schnell von den Störungsteams der E-Werke behoben (Phase Grün), während regionale oder gar kontinentale Ereignisse durchaus Monate die Energieversorgung lahm legen können (Phase Rot). Ein Energieausfall im urbanen Bereich schafft bereits nach 72 Stunden erhebliche Probleme und kann die Krise zu einer Katastrophe ausweiten. Besonders anfällig sind dabei sogenannte KRITISCHE INFRASTRUKTUREN (KRITIS), die nur zu einem sehr geringen Prozentsatz mit Notstromversorgung, die länger als eine Woche dauert, versorgt sind. Stromausfälle initiieren regulär umfangreiche Nachfolgeereignisse, die zum totalen Zivilisationsausfall führen können.
STARKWETTER
Niederschlagsmengen, Sturm, Wahrscheinlichkeit: hoch
- T - 72 std.: Beobachten der Wettervorhersagen, Rückkehr zum Heimat-Standort und Abbruch aktueller Tätigkeiten, Grundstücksbegehung und Sichtung auf mögliche Schäden, Ergreifung von Gegenmaßnahmen.
- T - 24 std.: Aktuelle Verfolgung der Prognosen, Letzte Sichtung der Lagerkapazitäten und Vorräte. Bei Starkregengefahr bereitlegen von Sandsäcken im Bereich Grundstückszufahrt. Bei extremer Schneefallgefahr bereitlegen von Räumgerätschaften und Abstützen von Dachflächen. Bei Sturmgefahr abriegeln des Gebäudekomplexes und Verzurrung von beweglichen Gegenständen auf dem Grundstück. Bei Bedarf (Orkan erwartet) gefährdete Baumteile ausschneiden, Folien der Gewächshäuser entfernen.
- T - 1 std.: Letzter Rundgang Außenbereich, und Korrekturen an den Maßnahmen. Vorbereiten Generatoreinsatz für Kurzversorgung. Bereitstellung von Werkzeugen und Baumaterial für den Fall einer Dachbeschädigung.
- T + 1 std.: Beobachtung des Ereignisses (T) und permanente Überwachung der Kommunikationskanäle hinsichtlich unerwarteter Lageänderungen.
T(Ende) bis + 1 std.: Komplette Prüfung von Grundstück und Gebäuden auf Schäden, Überwachung der Kommunikationskanäle.
Starkwetterereignisse können sehr unterschiedliche Ausprägungen aufweisen und dabei nicht selten enorme zerstörerische Energien freisetzen. Um diesen entgegenzuwirken, spielt die Beobachtung im Vorfeld eine große Rolle, da extreme Wetter nur in den seltensten Fällen spontan und ohne Vorwarnung auftreten. Selbst ein in unseren Breiten eher selten auftretender starker Tornado hat Vorzeichen. Da starke Wettererscheinungen meist von relativ kurzer Dauer sind, finden sie in der Regel im Bereich der Phase Grün statt. Überflutungen infolge von Starkregen und Pegelanstieg in Fließgewässern können bis in die Phase Gelb hineinreichen. Zivilisationsausfälle infolge von Starkwetterereignissen manifestieren sich häufig in Form von Schäden an Gebäuden und Infrastruktur durch direkte Wettereinwirkung (z.B. Sturmschaden, Schneelast, Hagelschlag usw.) und indirekte Auswirkungen (z.B. Unterspülungen, Stromausfall usw.). Auch ist hier nicht selten eine lebensgefährliche Bedrohung im Spiel. Diese Krisenlagen, verursacht durch Wettereinflüsse, gehören zu den häufigsten Ereignissen mit destruktivem Charakter, wir tun gut daran, uns darauf besonders gut vorzubereiten.
STREIK
Versorgungsengpässe durch Ausfall des Warenflusses, Wahrscheinlichkeit: gering
- T - 24 std.: Beobachtung der Medienpublikationen, gegebenenfalls Auffrischung der Kurzzeitvorräte (kurzfristig haltbare Lebensmittel) und benötigter Medikamente.
Die Vorbereitung und das Verhalten in von Streiks ausgelösten Krisen bedürfen keiner gesonderten Aufmerksamkeit, da der Ausfall von Lieferketten Bestandteil der Planung eines durchschnittlichen Homepreppings ist. Unsere Vorräte sollen uns bis zu 14 Tage durch Zeiten bringen, in denen die Zuführung von Lebensmitteln nicht möglich ist. Sollten durch Streiks die kritischen Infrastrukturen bedroht werden, greifen Bundesgesetze, die diesen Zustand ändern.
SOZIALE UNRUHEN
Verschlechterung der Sicherheitslage bei Aufständen, Wahrscheinlichkeit: mittel
- T - 72 std.: Auffrischung der Kurzzeitvorräte (kurzfristig haltbare Lebensmittel) und benötigter Medikamente, exakte Beobachtung der Vorgänge.
- T - 24 std.: Begrenzung des Aktionsradius auf 10 km, Notfallprotokolle Versorgung und Standortsicherung initiieren.
- T + 1 std.: Der Heimatstandort wird nicht mehr verlassen, der Ablauf der Ereignisse wird aufmerksam bis zur Klärung der Lage verfolgt.
Das Aufflammen sozialer Unruhen kündigt sich meist über einen längeren Zeitraum an, eine aufmerksame Medienbeobachtung ist daher angezeigt. Diese Form der Krise bewegt sich naturgemäß meist in der Phase Grün, nur selten in der Phase Gelb. Von sozialen Unruhen sind vorwiegend urbane Gebiete und Ballungsräume betroffen. Sollten sich soziale Unruhen zu Massenaufständen oder gar bürgerkriegsähnlichen Zuständen aufschaukeln, so können diese in Katastrophen der Phase Rot münden, was erhebliche Zerstörungen an der Infrastruktur zur Folge haben könnte und mit einem kompletten Zivilisationsausfall einhergeht, wenn ein bestimmtes Maß überschritten und besonders die kritische Infrastrukturen (KRITIS) betroffen sind. In diesem Falle muss mit Militäreinsatz im Inneren, Ausgangssperren und Rationierungen gerechnet werden. Für notwendige Bewegungen außerhalb des Heimatstandortes ist die GREY MAN Taktik angemessen.
PANDEMIE
Zunehmende Einschränkung des öffentlichen Lebens mit einhergehendem Zusammenbruch der Infrastruktur, Wahrscheinlichkeit: mittel bis hoch
- T - 6 mon.: Exakte Beobachtung der sich anbahnenden, zunächst epidemischen Lage, Einholen medizinischer Informationen, um ein mögliches Lagebild zu extrapolieren. Aufstockung von Vorräten und medizinischen Hilfsmitteln, bevor die Preise anziehen, also Schutzausrüstung, Desinfektion usw.
- T - 1 mon.: Sozialkontakte minimieren, eigene Krisengruppe über bevorstehendes EVAC-Szenario informieren. Begrenzung des Aktionsradius auf 30 km. Hygienekonzept aktivieren.
- T + 1 std.: Sofort nach Ausrufung der Pandemiebestimmungen nach dem IfSG den Home Lockdown initiieren, Quarantänebeschilderung anbringen, Dekon-Hygieneschleuse installieren. Begrenzung des Aktionsradius auf 5 km.
- T + X std.: Nach eigenem Ermessen zu einem dafür angebrachten Zeitpunkt EVAC-Szenario mit der eigenen Krisengruppe durchführen. Notfallprotokolle Versorgung und Standortsicherung initiieren.
Bei Pandemie- und Seuchenszenarien ist in der Rangliste für Bedrohung wenig Platz nach oben. Sie rangieren zwischen Phase Gelb und Rot mit hohem Gefahrenpotenzial für das Individuum und die Gesellschaft an sich. Da ist zum einen die individuelle Bedrohung von Gesundheit und Leben durch das Ereignis selbst, zum anderen die destruktiven Folgen wie Wirtschaftskollaps durch Lock- bzw. Shutdown und die Ausfälle von Leistungen aller Art. Auch können Kritische Infrastrukturen (KRITIS) durch hohe Mordbidität und Mortalität von Erregern binnen kürzester Zeit bedroht sein, eine Aufrechterhaltung durch Ersatzkräfte kann fragwürdig werden. Eine absolute Abschottung mit dem Erfordernis der Selbstverteidigung steht durchaus realistisch im Raum. Auch hier wieder werden destruktive Gesellschaftsereignisse (z.B. Aufstände, Plünderungen) in urbanen Gebieten ihren Anfang nehmen, dort wird die Mortalität wegen der hohen Bevölkerungsdichte auch am größten sein. Es muss davon ausgegangen werden, dass binnen kürzester Zeit keinerlei Möglichkeit der Zuführung von Vorräten und Energie mehr besteht, also die volle Autarkie hergestellt sein muss. Auf dem Land sind, solange es irgend geht, von der eigenen Krisengruppe z.B. Lebensmittel durch Sammeln, Fischen, Jagen zuzuführen.
KRIEG
Totaler Zivilisationsausfall, großflächige Zerstörung, Wahrscheinlichkeit: mittel
- T - 1 mon.: Beobachtung der Lagedynamik auf allen erreichbaren Kanälen, Vorräte aufstocken, eigene Krisengruppe über bevorstehendes EVAC-Szenario informieren. Begrenzung des Aktionsradius auf 30 km.
- T + 1 std.: Sofort nach Bekanntwerden des Ereignisses den Home Lockdown initiieren, Quarantänebeschilderung und/oder ggf. Tarnung anbringen, für eigene Krisengruppe EVAC-Szenario durchführen, CBRN-Dekon-Schleuse und Notfallprotokolle Versorgung und Standortsicherung initiieren. Bug-Out-Szenario vorbereiten.
Ein Kriegsgeschehen gehört zu den katastrophalen Ereignissen, die automatisch in die Phase Rot durchstarten. Totale Zerstörung der gesamten Infrastruktur, Verlust jeglicher Ver- und Entsorgung, Bedrohung des Status Quo durch Requirierungseinheiten der „eigenen“ Truppen und lebensbedrohliche CBRN-Gefahren lassen Krieg zum größten bedrohlichen Ereignis werden. Angeraten ist der totale Rückzug in den Heimatstandort und die Abtarnung desselben als „Lost Place“ bei gleichzeitiger Verteidigungsbereitschaft. Exakte Beobachtung der Dynamik der Lage erfordert hohe Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, den Standort, der nicht zu halten ist, aufzugeben.
Nützlich kann es hier (in Bezug auf Requirierung nach dem Konzept Zivile Verteidigung) sein, gewisse „Opfervorräte“ anzulegen und in versteckten Lagern Langzeitvorräte zu verbergen. Es sollten keine offensiven Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden, also keine Beschilderung „You loot - we shoot!“, sondern passive Maßnahmen wie Abtarnung und Warnung vor CBRN-Gefahr. Personen, die sich im Heimatstandort aufhalten, sollten möglichst wenig außerhalb von Gebäuden gesehen werden, werden Nahrungsmittel gesammelt, sollten immer dieselben Personen dazu aufbrechen. Bei Kommunikation mit Fremden werden keine Fragen beantwortet, auch keine harmlos scheinenden. Offensichtlich verletzten Personen wird an vom Gebäude aus einsehbarem Platz Erste Hilfe geleistet.
Natürlich sind die vorgenannten Szenarien nur oberflächlich wiedergegeben und sollen keine strikten Handlungsanweisungen geben. Es geht vielmehr darum, Anhaltspunkte zu liefern, wie die Krisenampel auf Ereignisse angewendet werden kann. Diesen Beitrag als PDF herunterladen:
https://www.claytonhusker.de/archiv/krisenampel.pdf